

Vertragsrecht | 2016 | Dr. Dirk Habe: Häufige Fehler in Widerrufsbelehrungen (Eintrag: April 2016)
Nach Schätzungen von Verbraucherschützern sind ca. 70-80 % der Verträge, die im Zeitraum von 2002 bis 2010 abgeschlossen sind, fehlerhaft. Verbraucher können sich also von diesen Verträgen lösen, ohne dafür eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen zu müssen. Durch eine Neuregelung in Artikel 229 EGBGB ist nunmehr eine Übergangsregelung in Kraft getreten, wonach ein fortbestehendes Widerrufsrecht für die Immobiliendarlehensverträge, die zwischen dem 01.09.2002 und 10.06.2010 geschlossen wurden, kurzfristig erlischt. Das Widerrufsrecht soll spätestens 3 Monate nach dem 21.03.2016, also am 21.06.2016 erlöschen.
Diese Übergangsregelung gilt, wenn das Fortbestehen des Widerrufsrechts darauf beruht, dass die dem Verbraucher erteilte Widerrufsbelehrung den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Anforderungen des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht entsprochen hat.
Beispielhaft sind häufige Fehler in den Widerrufsbelehrungen folgende:
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„Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung.“
Diese Formulierung belehrt den Verbraucher nicht richtig über den Beginn der Widerrufsfrist, weil sie nicht umfassend und zudem irreführend ist. Die Verwendung des Wortes „frühestens“ ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn ohne weiteres zu erkennen. Er vermag ihr lediglich zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist „jetzt oder später“ beginne, der Beginn des Fristlaufs also ggf. noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Der Verbraucher wird jedoch darüber im Unklaren gelassen, welche „etwaigen“ Umstände dies sind (BGH Urteil vom 28.06.2011, XII ZR 349/10). Die Formulierung „… eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Verbrauchsurkunde oder des Antrages zur Verfügung gestellt wird“ legt das unrichtige Verständnis nähe, die Widerrufsfrist beginne bereits einen Tag nach Zugang des mit der Widerrufsbelehrung versehenden Darlehensangebotes der Bank zu laufen. Durch die Formulierung der in dem von der Bank übersandten Vertragsangebot enthaltenen Belehrung, die Widerrufsfrist beginne „einen Tag“ nach Mitteilung „dieser Belehrung und der Zurverfügungstellung einer Vertragsurkunde“ entsteht der Eindruck, diese Voraussetzungen seien bereits mit der Übermittelung des die Widerrufsbelehrung enthaltenen Vertragsantrages erfüllt und die Widerrufsfrist beginne oder Rücksicht auf eine Vertragserklärung des Verbrauchers bereits im Tag nach Zugang des Angebots der Bank zu laufen (BGH 10.03.2009, IX ZR 33/08).
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„kein Hinweis auf notwendige Schriftform des Antrages (§ 492 BGB)“ Der Widerrufsbelehrung muss bei Schriftform des Vertrages eindeutig zu entnehmen sein, dass der Lauf der Widerrufsfrist zusätzlich zu dem Empfang der Widerrufsbelehrung voraussetzt, dass der Verbraucher einer seine eigene Vertragserklärung enthaltenden Urkunde ist (BGH 10.03.2009, IX ZR 33/08).
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„Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn Ihnen diese Belehrung ausgehändigt worden ist, jedoch nicht, bevor uns die von Ihnen unterschriebene Ausfertigung des Darlehensvertrages zugegangen ist.“
Eine Widerrufsbelehrung, nach der die Widerrufsfrist erst mit Eingang der vom Kreditnehmer unterzeichneten Vertragsurkunde bei der Bank zu laufen beginnen soll, vermittelt dem Kreditnehmer nicht mit hinreichender Klarheit die Kenntnis über den Fristbeginn (BGH Urteil vom 24.03.2009, IX ZR 456/07).
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Vollständige Übernahme des Musters
Kurioserweise sind selbst Formulierungen, die der Gesetzgeber in seinen Mustern angelegt hatte, von der Rechtsprechung später als unwirksam bewertet worden. In diesem Fällen soll die Bank schutzwürdig sein, wenn sie das Muster tatsächlich auch vollständig übernommen hat. Wenn der Verwender die Belehrung ersichtlich einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat, kann er sich nicht mehr auf die mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung berufen (BGH Urteil vom 28.06.2011, IX ZR 349/10). Dieser Grundsatz muss unabhängig vom konkreten Umfang der von ihm vorgenommenen Änderungen gelten, zumal sich schon mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine verallgemeinerungsfähige bestimmte Grenze ziehen lässt, bei deren Einhaltung eine Schutzwirkung noch gelten und ab deren Überschreitung sie bereits entfallen soll (BGH 28.06.2011, IX ZR 349/10). Unerheblich ist, ob die Abweichung von der Musterbelehrung nur in der Aufnahme von auch zutreffenden Zusatzinformationen zugunsten des Belehrungsempfängers bestehen (BGH Urteil vom 18.03.2014, II ZR 109/13).